„Wir werden von den Medien emotionalisiert“
Von Nuran Atis
Köln. Die in Köln geborenen Brüder mit den Künstlernamen „Muhabbet“(35) und „Levo“ machen seit 1995 zusammen Musik. Den Durchbruch erhielt „Muhabbet" am 18. November 2005, mit seiner Single „Sie liegt in meinen Armen“. Er arbeitete von 2007 bis Ende 2008 mit dem damaligen EU-Ratspräsidenten und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen. Außerdem nahm er zusammen mit Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Außenminister Bernhard Koucher ein Lied Namens „Deutschland“ auf. Die Wurzeln der Großeltern und Eltern von „Muhabbet“ und „Levo“ liegen in der Türkei, sie selbst sind Kölner und in Bocklemünd aufgewachsen. Nach über 10 Jahren Schweigen, reden sie nun offen über Spaltungen und Fehler in unserer Gesellschaft.
Links Levo, rechts Muhabbet Foto: Nuran Atis
Wie seid ihr aufgewachsen hattet ihr durch euer Migrationshintergrund Schwierigkeiten im Viertel?
Muhabbet: Die einzige Schwierigkeit, die wir hatten war, dass wir keine Ortsbestimmung hatten. Meine Eltern wussten nicht was Bocklemünd ist und wo wir landeten. Es ist ein Gemisch aus Einfamilienhäusern und mehreren Wohnungsblöcken. Viele Flüchtlinge und Gastarbeiter wurden dort aufgenommen. Wir hatten auch ganz viele Einheimische dort, die aber vom Einkommen her eher niedriger angesiedelt waren. Ich habe schon als Kind immer offen auf andere Nationalitäten reagiert und habe gedacht, dass es egal ist Inländer oder Ausländer zu sein. Diese Begriffe sind alle Falsch, wir hatten verschiedene Kulturen. Es war eher „cool“ in meiner Zeit. Wir hatten keine Probleme.
Wie wurden eure Großeltern in Köln als Gastarbeiter empfangen?
Levo: Meine Oma wurde am Hauptbahnhof mit Blumen empfangen. Die Arbeitgeber waren über die Arbeitsmoral von meiner Oma und ihren Freundinnen begeistert. Sie haben teilweise am Anfang 6 bis 8 Stunden gearbeitet. Meine Oma hat mit 3 oder 4 verschiedenen Frauen ein Zimmer geteilt. Sie ist irgendwann mit ihren Freundinnen zum Chef gegangen und hat erzählt, dass sie nicht weiß, was sie im Heim nach der Arbeit machen sollen. Sie fragten nach Überstunden. Meine Oma hat 12 bis 14 Stunden gearbeitet, sie wollte etwas im Leben erreichen.
Ab wann kam es zu Konflikten, was waren die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Generation?
Levo: Dadurch dass die erste Generation viel arbeitete, hat die Erziehung bei der zweiten Generation gefehlt. Die zweite Generation hat im Kindergarten und in der Schule Deutsch gelernt. Sie wurden etwas bewusster und frecher. Der Sohn stand mit der neuen vukohila Frisur da, der Vater fragte warum er nicht den Standard anatolischen Haarschnitt ausgewählt hat, somit kam es zu Konflikten in einigen Familien. Die erste Generation hatte zum Beispiel Angst bei der Arbeit Krank zu machen, sie haben gedacht, dass sie dadurch abgeschoben werden. Mein Vater hat 40 Jahre in Deutschland gearbeitet und wenn man zusammenrechnet war er vielleicht nur ein Monat Zuhause. Muhabbet: Zudem kam es in den 70er und 80er Jahren in Deutschland zu Punk und Funk Szenen. Die Väter waren dankbar, dass sie arbeiten konnten und dachten, dass die Kinder alles in die Tonne schmeißen.
Was waren die Folgen der Konflikte? Muhabbet: Durch die genannten Konflikte entstanden Zuhause passive Aggressionen, wie es bei jedem stutzigen Kind passieren würde. Einige Jungs landeten zum Beispiel auf der Straße. Die erste deutsche Freundin wusste nicht, warum sie die Eltern des Freundes nicht kennen lernen kann. Dadurch gab es Kommunikationsprobleme.
Gab es andere Probleme, die ihr beobachten könntet?
Muhabbet: Durch einige Berichterstattungen konnte man beobachten, dass die zweite Generation und die „einheimischen“ demoralisiert und emotionalisiert wurden. Zuhause hatten die Kinder Stress und imitierten das Verhalten der Eltern. Die Kinder wurden nur nach Verhalten geteilt. Der Philosoph David Precht hat gesagt, dass das Schulsystem nicht gut genug ist. Die Schüler sind total unglücklich. Levo: Wenn man unbedingt die Kinder trennen möchte, kann man aktive Kinder und wenig aktive Kinder teilen. Wenn man das Bildungssystem ändern würde, würde das Wort Migrationshintergrund wegfallen. Wir hätten dann generell ein viel erfolgreicheres System. Was bedeutet für euch Heimat? Muhabbet: ich wurde hier geboren. Ich bin hier Teil des genetisch geographischen Konstruktes. Das erste Wasser, das erste Brot was ich aß, aß ich hier. Ich bin ein Teil von Köln. Man darf mich nicht fragen wohin ich gehöre. Beides ist in sich schön. Levo: Wir haben mit 12 und 14 Jahren einen Song über unsere Heimat geschrieben, das Lied hieß „Memleket Köln“ (auf Deutsch: „Heimat Köln“). Das war die Ideologie. Alle Kölner sind unsere Landsleute.
Was bedeutet für euch Rassismus?
Muhabbet: Menschen, die komische Sprüche rauslassen diskriminieren nicht nur Türken, sondern auch alle Nationen. Das ist kein Rassismus sondern eine Unverschämtheit gegenüber die eigene Menschlichkeit. Der beleidigt vor allem sich selbst. Mir wurde gesagt, dass ich zu dünn bin, das empfand ich als Rassismus. Man trennt niemanden nach nichts. Dieses Unrecht andere wegen ihrem Aussehen oder Erscheinungsbild zu beurteilen zeigt dass diese Leute richtig daneben sind. Levo: Überheblichkeit ist eigentlich ein Hilfeschrei. Ich muss mich immer hochklettern und andere immer tief drücken, es ist ein Hilfeschrei. Wenn wir Menschen uns selber nicht kontrollieren können haben wir immer ein Adjektiv. Wenn sie jemanden beschreiben sagen sie der kleine, der blöde oder der zappelige Junge. Wenn das wegfällt kommt was anderes.
Welche Verbesserungsvorschläge habt ihr?
Muhabbet: Es wird für Deutschland und auch für andere Länder nach vorne gehen, wenn die Spaltung weg ist. Der damalige EU-Ratspräsident und Außenminister Frank-Walter Steinmeier war dafür, dass wir uns gegenseitig bereichern sollten, 2007 bis Ende 2008 waren wir in Zusammenarbeit. Ich wurde Kulturbotschafter, wir sind hin und her geflogen. Ich war ständig im Austausch mit Geschäftsleuten und Politikern aus der Türkei und aus Deutschland.
Links Muhabbet, mitte Nuran Atis, rechts Levo
Muhabbet, Frank-Walter Steinmeier und Bernhard Kouchner (ein Teil des Songtextes)
Wir haben andere Sitten, ihr habt andere Sitten, kommt sehn wir uns in die Augen, sagen die Meinung, zeigen das wahre Gesicht, ihr fragt euch wieso wir so sind, wir fragen wieso Ihr so seid,
komm, treffen wir uns endlich und reden völlig normal.
Köln. Die in Köln geborenen Brüder mit den Künstlernamen „Muhabbet“(35) und „Levo“ machen seit 1995 zusammen Musik. Den Durchbruch erhielt „Muhabbet" am 18. November 2005, mit seiner Single „Sie liegt in meinen Armen“. Er arbeitete von 2007 bis Ende 2008 mit dem damaligen EU-Ratspräsidenten und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen. Außerdem nahm er zusammen mit Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Außenminister Bernhard Koucher ein Lied Namens „Deutschland“ auf. Die Wurzeln der Großeltern und Eltern von „Muhabbet“ und „Levo“ liegen in der Türkei, sie selbst sind Kölner und in Bocklemünd aufgewachsen. Nach über 10 Jahren Schweigen, reden sie nun offen über Spaltungen und Fehler in unserer Gesellschaft.
Links Levo, rechts Muhabbet Foto: Nuran Atis
Wie seid ihr aufgewachsen hattet ihr durch euer Migrationshintergrund Schwierigkeiten im Viertel?
Muhabbet: Die einzige Schwierigkeit, die wir hatten war, dass wir keine Ortsbestimmung hatten. Meine Eltern wussten nicht was Bocklemünd ist und wo wir landeten. Es ist ein Gemisch aus Einfamilienhäusern und mehreren Wohnungsblöcken. Viele Flüchtlinge und Gastarbeiter wurden dort aufgenommen. Wir hatten auch ganz viele Einheimische dort, die aber vom Einkommen her eher niedriger angesiedelt waren. Ich habe schon als Kind immer offen auf andere Nationalitäten reagiert und habe gedacht, dass es egal ist Inländer oder Ausländer zu sein. Diese Begriffe sind alle Falsch, wir hatten verschiedene Kulturen. Es war eher „cool“ in meiner Zeit. Wir hatten keine Probleme.
Wie wurden eure Großeltern in Köln als Gastarbeiter empfangen?
Levo: Meine Oma wurde am Hauptbahnhof mit Blumen empfangen. Die Arbeitgeber waren über die Arbeitsmoral von meiner Oma und ihren Freundinnen begeistert. Sie haben teilweise am Anfang 6 bis 8 Stunden gearbeitet. Meine Oma hat mit 3 oder 4 verschiedenen Frauen ein Zimmer geteilt. Sie ist irgendwann mit ihren Freundinnen zum Chef gegangen und hat erzählt, dass sie nicht weiß, was sie im Heim nach der Arbeit machen sollen. Sie fragten nach Überstunden. Meine Oma hat 12 bis 14 Stunden gearbeitet, sie wollte etwas im Leben erreichen.
Ab wann kam es zu Konflikten, was waren die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Generation?
Levo: Dadurch dass die erste Generation viel arbeitete, hat die Erziehung bei der zweiten Generation gefehlt. Die zweite Generation hat im Kindergarten und in der Schule Deutsch gelernt. Sie wurden etwas bewusster und frecher. Der Sohn stand mit der neuen vukohila Frisur da, der Vater fragte warum er nicht den Standard anatolischen Haarschnitt ausgewählt hat, somit kam es zu Konflikten in einigen Familien. Die erste Generation hatte zum Beispiel Angst bei der Arbeit Krank zu machen, sie haben gedacht, dass sie dadurch abgeschoben werden. Mein Vater hat 40 Jahre in Deutschland gearbeitet und wenn man zusammenrechnet war er vielleicht nur ein Monat Zuhause. Muhabbet: Zudem kam es in den 70er und 80er Jahren in Deutschland zu Punk und Funk Szenen. Die Väter waren dankbar, dass sie arbeiten konnten und dachten, dass die Kinder alles in die Tonne schmeißen.
Was waren die Folgen der Konflikte? Muhabbet: Durch die genannten Konflikte entstanden Zuhause passive Aggressionen, wie es bei jedem stutzigen Kind passieren würde. Einige Jungs landeten zum Beispiel auf der Straße. Die erste deutsche Freundin wusste nicht, warum sie die Eltern des Freundes nicht kennen lernen kann. Dadurch gab es Kommunikationsprobleme.
Gab es andere Probleme, die ihr beobachten könntet?
Muhabbet: Durch einige Berichterstattungen konnte man beobachten, dass die zweite Generation und die „einheimischen“ demoralisiert und emotionalisiert wurden. Zuhause hatten die Kinder Stress und imitierten das Verhalten der Eltern. Die Kinder wurden nur nach Verhalten geteilt. Der Philosoph David Precht hat gesagt, dass das Schulsystem nicht gut genug ist. Die Schüler sind total unglücklich. Levo: Wenn man unbedingt die Kinder trennen möchte, kann man aktive Kinder und wenig aktive Kinder teilen. Wenn man das Bildungssystem ändern würde, würde das Wort Migrationshintergrund wegfallen. Wir hätten dann generell ein viel erfolgreicheres System. Was bedeutet für euch Heimat? Muhabbet: ich wurde hier geboren. Ich bin hier Teil des genetisch geographischen Konstruktes. Das erste Wasser, das erste Brot was ich aß, aß ich hier. Ich bin ein Teil von Köln. Man darf mich nicht fragen wohin ich gehöre. Beides ist in sich schön. Levo: Wir haben mit 12 und 14 Jahren einen Song über unsere Heimat geschrieben, das Lied hieß „Memleket Köln“ (auf Deutsch: „Heimat Köln“). Das war die Ideologie. Alle Kölner sind unsere Landsleute.
Was bedeutet für euch Rassismus?
Muhabbet: Menschen, die komische Sprüche rauslassen diskriminieren nicht nur Türken, sondern auch alle Nationen. Das ist kein Rassismus sondern eine Unverschämtheit gegenüber die eigene Menschlichkeit. Der beleidigt vor allem sich selbst. Mir wurde gesagt, dass ich zu dünn bin, das empfand ich als Rassismus. Man trennt niemanden nach nichts. Dieses Unrecht andere wegen ihrem Aussehen oder Erscheinungsbild zu beurteilen zeigt dass diese Leute richtig daneben sind. Levo: Überheblichkeit ist eigentlich ein Hilfeschrei. Ich muss mich immer hochklettern und andere immer tief drücken, es ist ein Hilfeschrei. Wenn wir Menschen uns selber nicht kontrollieren können haben wir immer ein Adjektiv. Wenn sie jemanden beschreiben sagen sie der kleine, der blöde oder der zappelige Junge. Wenn das wegfällt kommt was anderes.
Welche Verbesserungsvorschläge habt ihr?
Muhabbet: Es wird für Deutschland und auch für andere Länder nach vorne gehen, wenn die Spaltung weg ist. Der damalige EU-Ratspräsident und Außenminister Frank-Walter Steinmeier war dafür, dass wir uns gegenseitig bereichern sollten, 2007 bis Ende 2008 waren wir in Zusammenarbeit. Ich wurde Kulturbotschafter, wir sind hin und her geflogen. Ich war ständig im Austausch mit Geschäftsleuten und Politikern aus der Türkei und aus Deutschland.
Links Muhabbet, mitte Nuran Atis, rechts Levo
Muhabbet, Frank-Walter Steinmeier und Bernhard Kouchner (ein Teil des Songtextes)
Wir haben andere Sitten, ihr habt andere Sitten, kommt sehn wir uns in die Augen, sagen die Meinung, zeigen das wahre Gesicht, ihr fragt euch wieso wir so sind, wir fragen wieso Ihr so seid,
komm, treffen wir uns endlich und reden völlig normal.
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